Stundung von Forderungen (Allgemein)
Dank der ausführlichen Recherche unsere juristischen Mitarbeiter cand. iur Stephan Katzgraber und cand. iur. Florian Fasching bieten wir Ihnen einen allgemeinen Überblichk über die Stundung (von Forderungen) und deren möglichen Rechtsfolgen – unabhängig von der gesetzlichen Regelung.
Stundung
Stephan KATZGRABER und Florian FASCHING
Definition Stundung: Bei einer Stundung wird die Fälligkeit oder der tatsächliche Zahlungszeitpunkt einer Forderung durch nachträgliche Vereinbarung mit dem Gläubiger verschoben.
Unterscheidung:
- Reine Stundung: Die vorübergehende Abstandnahme von der gerichtlichen Geltendmachung durch den Gläubiger. Die Verzugszinsen beginnen mit Fälligkeitszeitpunkt zu laufen.
- Ändernde oder volle Stundung: Verschiebung der Fälligkeit des Anspruchs. Keine Verzugszinsen.
Welche Stundung vereinbart wurde ist durch Auslegung zu ermitteln. Im Zweifel reine Stundung.
Ein Teil der Lehre erblickt im Mitwirken des Schuldners an der Stundungsabrede bzw. in seiner Stundungsbitte generell ein deklaratorisches Anerkenntnis, das die Verjährung nach § 1497 ABGB unterbricht, sofern diese Erklärungen nicht im Zusammenhang mit Vergleichsverhandlungen abgegeben werden.
Der OGH hat jedoch einen anderen Weg eingeschlagen. Er ging erstmals in einer Entscheidung aus dem Jahr 1974 davon aus, dass es bei einer ändernden/ vollen Stundung zu einer Verjährungshemmung analog § 1496 ABGB komme. Dieser Ansicht sind die stRsp und ein Teil der Lehre ungeprüft, mit der exakt gleichen „Begründung“ gefolgt.
(Problem dabei ist, ob eine analoge Anwendung überhaupt möglich ist. § 1496 ABGB geht von äußeren, vom Gläubiger nicht beeinflussbare Umstände aus. Bei einer Stundung trifft das jedoch nicht zu.)
Immer wieder wird § 1478 ABGB zur Lösung des Verjährungsproblems herangezogen: Ist der Fälligkeitszeitpunkt schon eingetreten und wurde volle Stundung vereinbart, ergibt sich aus § 1497 ABGB, dass die Verjährungsfrist schon mit Fälligkeitszeitpunkt beginnt, da der Gläubiger schon ein einklagbares Recht hatte.
Schließlich findet sich in der Literatur immer wieder die nicht näher begründete Aussage, dass sowohl die volle als auch die reine Stundung die Verjährung hemmt. Da jedoch keiner der bisher aufgezählten Lösungsvorschläge zu einer vollends befriedigenden Lösung führt, ist im Folgenden zu untersuchen, welche (anderen) Rechtsgrundlagen zur Lösung dieses verjährungsrechtlichen Problems herangezogen werden können.
Lösungsvorschlag der ÖBA:
Sowohl eine Stundungsbitte als auch das Mitwirken an einer Stundungsvereinbarung beinhaltet daher in aller Regel ein deklaratorisches Anerkenntnis, das nach § 1497 ABGB zu einer Unterbrechung der Verjährung führt. Nur ausnahmsweise, wenn die Stundung im Zusammenhang mit Vergleichsverhandlungen abgegeben wird oder um den Ausgang eines präjudiziellen Verfahrens abzuwarten, gilt dies – mangels Anerkennung – nicht. Eine bereits begonnene Verjährungsfrist beginnt mit Vereinbarung der Stunde wieder in voller Länge neu zu laufen.
Bei der reinen Stundung stellt sich daher kein Problem: Fälligkeit ist schon gegeben!
Volle Stundung: Fälligkeit ist noch nicht gegeben, da der Fälligkeitszeitpunkt verschoben wurde. Es stellt sich also die Frage, ob für den Neubeginn des Fristenlaufs nach § 1497 ABGB auch (noch) die Voraussetzungen vorliegen müssen, die den Verjährungsbeginn ursprünglich ausgelöst haben, ob der Anspruch also fällig sein muss. Das ist jedoch aufgrund des Wortlauts und des hinter § 1478 ABGB stehenden Zwecks zu verneinen. Voraussetzung für den Beginn des Fristenlaufs ist nur, dass der Gläubiger bereits die Möglichkeit hatte, sein Recht auszuüben. Da die Forderung des Gläubigers auch bei der vollen Stundung nach Fälligkeitseintritt bereits einmal fällig war, hatte er bereits ein klagbares Recht.
Außerdem ist es hM, dass § 1478 ABGB für den Beginn der Verjährungsfrist ausschließlich an objektive Umstände, wozu auch die Fälligkeit gehört, anknüpft.
Die Frage ist, ob es während der Stundung (zusätzlich zur Unterbrechung) zu einer Hemmung der Verjährungsfrist kommt. § 1478 ABGB geht in diese Richtung, da der Gläubiger sonst keine Möglichkeit hat, sein Recht mittels Klage (abgesehen von der Feststellungsklage) geltend zu machen. Ansonsten würde es zu einem ungerechtfertigten Vorteil für den Schuldner kommen, da ansonsten die Verjährungsfrist ungehindert weiterlaufen könnte. § 1478 ABGB ist zwar nicht direkt anwendbar, weil die gegenständliche Forderung bereits einmal fällig war, jedoch liegt zweifellos eine Gesetzeslücke vor, die per analogiam zu § 1478 ABGB geschlossen werden kann.
§1502 und die Hemmung:
Es spricht keiner der hinter § 1502 ABGB stehenden Zwecke gegen die Annahme einer Verjährungshemmung der gestundeten Forderung, weshalb kein Widerspruch zu § 1502 ABGB vorliegt, da dieser seinem telos nach auf den hier behandelten speziellen Fall der Stundung nicht anwendbar ist. Bei dieser Auslegung bleibt § 1502 ABGB auch ein (sinnvoller) Anwendungsbereich erhalten, weil Verlängerungen oder Erschwerungen der Verjährung in all jenen Fällen, in denen Verjährungszwecke dagegen sprechen, also in aller Regel, unzulässig bleiben.
Lösungsvorschlag der ÖBA:
Eine Stundung impliziert nach Fälligkeitseintritt in aller Regel ein deklaratorisches Anerkenntnis. Gleiches muss natürlich auch für eine Stundungsabrede vor dem erstmaligen Fälligkeitseintritt gelten. In diesem Fall ist sogar noch viel eher von einem Anerkenntnis auszugehen, da die Initiative für die Stundung vor Fälligkeit nahezu immer vom Schuldner ergriffen wird. In diesem Fall ist zwischen voller und reiner Stundung zu unterscheiden. Soll es vor Fälligkeitseintritt zu einer reinen Stundung kommen, so tritt, da die Verjährungsfrist mangels Fälligkeit noch nicht zu laufen begonnen hat, durch die (deklaratorische) Anerkennung zwar keine Unterbrechung ein; allerdings ist der Beginn der Verjährungsfrist für den Zeitraum zwischen Fälligkeitseintritt und Ablauf der Stundungsfrist nach § 1478 ABGB analog gehemmt. Das gilt auch für die ratenweise Stundung von Kreditrückzahlungsansprüchen. Kommt es bereits vor dem ursprünglichen Fälligkeitseintritt zu einer vollen Stundung, so wird die Forderung nach dem Parteiwillen erstmals nach Ablauf der Stundungsfrist fällig. In dieser Konstellation ergeben sich keine besonderen Verjährungsfragen. Nach § 1478 ABGB kann die Verjährungsfrist nicht zu laufen beginnen, da der Gläubiger (mangels Fälligkeit) seinen Anspruch noch nicht geltend machen konnte; Der Verjährungsbeginn wird auf den neuen erstmaligen Fälligkeitszeitpunkt verschoben. Eine bedenkliche Umgehung des § 1502 ABGB liegt hier nicht vor.
Ausblick 3tes Covid Paket: (wird erst am Freitag 03.04.2020 beschlossen)
Aufschiebung der Miete mit Verzugszinsen (nicht höher als die gesetzlichen 4%) für die Mieten zwischen April und Juni, wenn die fehlende Liquidität des Mieters auf das Covid 19-Virus zurückzuführen ist. Bis Dezember habe der Mieter dann Zeit, den offenen Betrag zu zahlen. (Aussage von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) zur APA.)
Daher handelt es sich um eine reine Stundung, da es bei der vollen Stundung keine Verzugszinsen gibt. Es handelt sich also um eine Abstandnahme von der gerichtlichen Geltendmachung durch den Gläubiger und nicht um eine Verschiebung des Fälligkeitszeitpunktes. Die Verjährungsfrist ist gehemmt. (4Ob2265/96h)
Die gesetzliche Stundung ist aber nur für Private vorgesehen, nicht für Unternehmen.
§ 1496 ABGB:
Auch diese (alte) Bestimmung wird auf Grund der derzeitigen Lage vermehrt in den Vordergrund rücken. Durch die erfolgte gesetzliche Regelung betreffend der Unterbrechung / Hemmung von Fristen in bürgerlichen Rechtsachen wurde gleichzeitig festgehalten, dass Ansprüche, die gerichtlich (!) geltend zu machen sind, gehemmt seien!
Kommentare:
Rummel/Lukas, ABGB Stand 01.11.2014 bis…
Judikatur:
RS0017597
Rechtsatz:
Eine „reine“ Stundung, welche die Fälligkeit unberührt lässt, aber ihre Geltendmachung hinausschiebt, hemmt den Lauf der Verjährungsfrist.
Entscheidungstexte:
RS OGH 1993-12-22 8 Ob 28/93
RS OGH 1996-05-29 4 Ob 2114/96b
Beisatz: Der Schuldner darf weiterhin die Leistung erbringen und muss Verzugszinsen leisten; wird aber der Schuldner vom Gläubiger belangt, kann er dieses Begehren unter Berufung auf den Aufschub der Geltendmachung der Forderung abwehren. (T1)
RS OGH 1996-12-16 1 Ob 2299/96m
Auch; nur: Eine „reine“ Stundung, welche die Fälligkeit unberührt lässt, aber ihre Geltendmachung hinausschiebt. (T2)
RS OGH 1996-11-12 4 Ob 2265/96h
Beisatz: Die nicht auf einer Vereinbarung beruhende Setzung eines Zahlungszieles in einer Rechnung ist eine sogenannte „reine Stundung“, so dass vor dem Erreichen des Zahlungszieles die Forderung nicht geltend gemacht werden kann, und der Lauf der Verjährungsfrist gehemmt ist. (T3)
RS OGH 2001-01-30 1 Ob 14/01t
RS OGH 2001-09-05 9 ObA 77/01s
Auch; nur T2; Beisatz: Die „reine“ Stundung steht der Aufrechnung nicht entgegen. (T4)
RS OGH 2005-03-02 7 Ob 292/04y
RS OGH 2010-06-24 6 Ob 111/10g
Vgl auch; nur T2
RS OGH 2010-10-21 5 Ob 157/10i
Vgl auch; nur ähnlich T2
Verweise
RS0017554
Rechtssatz:
In aller Regel, vor allem dann, wenn sie nach Eintritt der Fälligkeit bewilligt wurde, schiebt die Stundung nur die Geltendmachung nicht die Fälligkeit einer Forderung hinaus.
à 5 Ob 157/10i
Entscheidungstext OGH 21.10.2010 5 Ob 157/10i
Auch; Beisatz: Reine Stundung. (T2)
RS0031962
Rechtssatz
Durch Stundung wird die frühere Fälligkeit nicht beseitigt (ebenso schon 2 Ob 48/57).