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Änderungen bei Mietzahlung im Zeitraum April bis Juni 2020

2. COVID-19-Justiz-Begleitsgesetz (2. COVID-19-JuBG) – Wesentliche Änderungen

Insbesondere Mietrecht und Stundung

Der Gesetzgeber hat nunmehr in die aktuelle Diskussion im Bereich des Mietrechts und auch der Kreditzahlungen (massiv) eingegriffen. Die legistische Umsetzung ist jedoch etwas „weniger“ geglückt! Auf Grund der Kurzfristigkeit der Geschehnissen können wir „nur“ eine erste Einschätzung geben und wird es zu einer „beträchtlichen“ juristischen Diskussion auf Grund der Gesetzestexte kommen.

1.               Artikel 37 (I. Hauptstück)

a.              § 1 des 2. COVID-19-JuBG – Beschränkung der Rechtsfolgen von Mietzinsrückständen:

Zunächst erweist sich die Textierung als äußerst unbestimmt. Wenn der Mieter…. „in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist…“.

§ 1 definiert nicht, wann der Mieter erheblich beeinträchtigt ist und lässt offen, was überhaupt als Folge der COVID-19-Pandemie verstanden werden kann! Die Bestimmung setzt daher voraus:

            A:         Erhebliche Beeinträchtigung in wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit

            B:         die aber als Folge der COVID-19-Pandemie eingetreten sein muss.

Die Folgen der COVID-19-Pandemie werden unmittelbar wohl nur die Selbständigen/ Unternehmen treffen. Mittelbar sind die Beschäftigten von Selbständigen/ Unternehmen durch möglichen Verlust des Arbeitsplatzes betroffen. Berücksichtigt man die Möglichkeiten der Kurzarbeit, so werden jene Beschäftigte, deren Entgelt durch die Kurzarbeit im Durchschnitt 80 % bis 95 % des Nettobezuges weiterhin beträgt, als nicht erheblich in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt anzusehen sein. Somit verbleibt als „denkbarer“ Adressat nur ein eingeschränkter Mieterpersonenkreis:

–       Selbständige hinsichtlich ihrer privaten Wohnungen

–       Unselbständige, die nicht in Kurzarbeit sind, und diese wiederum

o   Arbeitslosenbezieher

o   Keine Arbeitslosenbezieher

Ausgehend vom Gesetzeswortlaut können daher Vermieter von Selbständigen, wenn diese durch die COVID-19-PANDEMIE in ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sind, hinsichtlich ihrer als Privatperson gemieteten Wohnungen keine Kündigungen/Auflösungen wegen Mietzinsrückstände des Zeitraums April bis Juni bis zum 31.12.2020 ableiten oder gar durchsetzen. Wie der Nachweis hier zu erfolgen hat, wird Raum für Diskussion öffnen. Ebenso die Frage, wer überhaupt die Beweislast hierfür tragen wird! Hat der Mieter seine Einkünfte offen zu legen? Zumindest bei Selbständigen ist die gesetzliche Regelung nachvollziehbar und mit den oben angeführten Beweisschwierigkeiten jedoch umsetzbar.

Der zweite denkbare Mieterpersonenkreis betrifft die Unselbständigen, die durch die gegenwärtige Lage ihren Arbeitsplatz verloren haben. Hier zeigt sich auch die nicht ganz durchdachte Legistik.

Verliert jemand seinen Arbeitsplatz, so war dies zu keinem Zeitpunkt ein Rechtfertigungsgrund für die Nichtbezahlung der Miete. Das Beschäftigungsrisiko des Mieters kann nicht dem Vermieter auferlegt werden. Dass der Verlust des Arbeitsplatzes immer das Risiko der Unmöglichkeit der Zahlung der Miete nach sich zieht, ist wiederum keine erst im Zuge der COVID-19-Pandemie neue Erkenntnis!

Nun enthalten die Erläuterungen (Ausschussbericht) „lediglich“ den Hinweis, dass erheblich beeinträchtig jene Personen sind, deren Arbeitsverhältnis gekündigt wurde (Kellner und Reiseleiter!). Zumindest können aus den Erläuterungen jene Unselbständigen, die sich in Kurzarbeit befinden, aus dem Anwendungsbereich herausgenommen werden. Wer und wie der Nachweis hier zu erbringen ist, bleibt offen.

Warum gekündigte Unselbständige „nur“ auf Grund der Tatsache der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nunmehr kündigungsgeschützt sind, kann nicht nachvollzogen werden. Durch die Voraussetzung der Beeinträchtigung in ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, welche mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses automatisch gleichgesetzt wird, wird die Substituierung durch einen Arbeitslosenbezug/ Sozialhilfe gänzlich als unbeachtlich angesehen. Die Erläuterungen sprechen auch davon, dass jene Personen, die nicht gesundheitlich beeinträchtigt sind und keine Einkommensminderung erleiden, diese Bestimmung nicht in Anspruch nehmen können. Da aber jeder Arbeitslosenbezug/ die Sozialhilfe unter dem zuletzt bezogenen Gehalt/ Lohn liegen wird, ergibt sich wie oben dargelegt, dass ausschließlich die Kündigung Kriterium für die Anspruchsberechtigung ist! (die Kündigung muss aber wegen der Pandemie erfolgt sein!). Somit wird das Risiko des Verlustes des Arbeitsplatzes auf den Vermieter undifferenziert überwälzt! Die sachliche Rechtfertigung ist trotz der verständlichen Ausnahmesituation nur schwer nachvollziehbar. Hinzukommt, dass dem Vermieter auch ein beträchtliches wirtschaftliches Risiko auferlegt wird. Der Mieter, der zwar Arbeitslosenunterstützung erhält, ist bei eingestellten Mietzinszahlungen für die Perioden April bis Juni bis zum Ende des Jahres geschützt, der Vermieter trägt aber das Risiko diese drei Monate endgültig nicht zu erlangen (Aufrechnungsverbot mit Kaution für diese Perioden). Unter Berücksichtigung der Dauer eines raschen Räumungs-/ Kündigungsverfahrens bis zur endgültigen Delogierung unter normalen Umständen von zumindest sechs Monaten, ergibt sich rasch der wirtschaftliche Verlust auf Seiten des Vermieters eines ganzen Jahres (unter der Annahme auch ab Juli werden keine Mieten weiterbezahlt oder es kommt zu einer Verlängerung der Bestimmung) bis die Wohnung wieder in dessen Verfügungsmacht gelangt oder sogar länger!

Beispiel: Miete April bis Juni wird nicht bezahlt. Es wird auch der Juli nicht bezahlt, sodass frühestens zum 20.07. (§ 1118 ABGB –zum nächsten Zinstermin plus angemessene Frist) eine Räumungsklage gestützt auf § 1118 ABGB eingebracht werden kann. Die durchschnittlich Ausschreibungsdauer liegt nach Einbringen der Klage bei zwei Monaten bis ein zwingend auszuschreibender Verhandlungstermin vorliegt. Sohin Mitte September. Ergeht ein Versäumungsurteil, so bedarf es weitere fünf Wochen im besten Fall, bis das Urteil rechtskräftig und vollstreckbar wird. Somit sind wir bei Ende Oktober. Danach ist die Räumungsexekution einzubringen, welche ebenfalls mit Fristenlauf mindestens fünf Wochen benötigt: Mitte Dezember. Nach Rechtskraft der Exekutionsbewilligung wird ein Räumungstermin anberaumt, der üblicherweise mindestens vier Wochen jedenfalls im Voraus liegt. Ergebnis: Delogierung frühestens im Jänner 2021. Sohin ergibt sich bei allen günstigen Prognosen ein „Minimumverlust“ bei Einstellung der Mietzahlungen ab April 2020 von NEUN Monatsmieten! Kommt es zu Verzögerungen im Verfahren, Rechtsmittel, Zustellanständen etc., so ist die Jahresdauer rasch überschritten.

Besonders brisant wird es, wenn man das außer Kraft treten der gesetzlichen Bestimmung berücksichtigt. Dem Vermieter ist es nicht möglich, den Zeitraum April bis Juni 2020 als Auflösungsgrund, sei es Kündigung oder § 1118 ABGB, bis 30.06.2022 (!) heranzuziehen. Das bedeutet, dass der Vermieter im worst case scenario zwei Jahre lang keine Möglichkeit hat – außer einer Mahnklage ab 01.01.2021 – die Kündigung oder Auflösung wegen den nicht bezahlten Monatsmieten April bis Juni 2020 zu begehren! Wie dies im Übrigen aber mit ungewidmeten Zahlungen der Mieter (Anrechnung auf die älteste Schuld) dann in Einklang zu bringen sein wird, stellt eine Herausforderung dar.

Bedauerlicherweise ist auch jener Umstand eingetreten, den wir befürchtet haben. Es wurde der Begriff Miete herangezogen! Dieser Begriff umfasst den hauptmietzins, die darauf entfallenden Betriebskosten und allfällige besondere Aufwendungen sowie Entgelt für mitvermietetes Inventar (vgl. § 15 MRG). Somit hat der Vermieter weiterhin die Betriebskosten, die anfallen, zu entrichten, obgleich er sein pauschalen Vorauszahlungen vom Mieter nicht erhält!

Diese Regelung ist daher nicht nur als wenig durchdacht und als nicht besonders geglückt, sondern auch als nicht sachlich gerechtfertigt zu bezeichnen. Hier wird die Vermieterseite zahlreichen Problemen und wirtschaftlichen Folgewirkungen (vermeidbar) ausgesetzt.

b.              § 5 Verlängerung von befristeten Mietverträgen

Befristete Mietverträge, die nach dem 30.03.2020 aber vor dem 01.07.2020 auslaufen, können bis zum 31.12.2020 oder kürzer verlängert werden. Zu beachten ist, dass das Schriftlichkeitserfordernis unberührt bleibt!

c.              § 6 Aufschiebung der Räumungsexekution

Hier erfolgt die Möglichkeit laufende Räumungsverfahren ohne Sicherheitsleistungen aufzuschieben. Es wird eine Interessenabwägung vorgenommen, die vom Gericht entsprechend zu würdigen ist. Eine Sicherheitsleistung ist nicht vorgesehen und stellen sich hier dieselben Problem der (unzulässigen) Verlagerung des wirtschaftlichen Schadens auf den Vermieter.

Zu beachten ist, dass das Räumungsverfahren über Antrag des Vermieters nach Wegfall der Einschränkungen der Bewegungsfreiheit oder der zwischenmenschlichen Kontakte (welche diese bei einer Delogierung sein sollen bleibt fraglich! Evtl. Sicherheitsabstand von einem Meter?) fortgesetzt wird oder spätestens sechs Monate nach Bewilligung der Aufschiebung! Welchen Sinngehalt aber die Formulierung hat, wonach das Verfahren innerhalb von drei Monaten nach Bewilligung der Aufschiebung fortzusetzen ist, wenn Abs 1 nicht mehr gegeben ist, bleibt unergründlich. Gemeint wird wohl sein, falls die Maßnahmen früher enden als die in Abs 1 angeführten Fristen!

Bemerkenswert ist aber, dass bei dieser Bestimmung der Gesetzgeber eine Interessensabwägung vorsieht.

Demgegenüber wird dies aber bei dem Mietzahlungsmoratorium nicht vorgenommen! Es dürfte auch nicht allein auf die Notwendigkeit der Mieteinnahmen abgestellt worden sein, da die Erläuterungen als Beispiel „nur“ auf die Weitervermietung UND Einkommensnotwendigkeit abstellen. Wo die sachliche Rechtfertigung besteht, drei Monate lang keine Miete zu bekommen akzeptieren zu müssen versus eine Räumung fortzuführen, zeigt nur die Unausgewogenheit der gesetzlichen Regelung.

Wir empfehlen daher:

Werden Ansprüche von Mietern geltend gemacht, mögen diese angehalten werden, ein entsprechendes Informationsblatt auszufüllen und zu retournieren, um hier entsprechende Dokumentationen für spätere oder sogleich geführte Auseinandersetzungen zu erlangen.

Die Geltendmachung von Mietzinsrückständen auch für die Perioden April bis Juni 2020 ist unseres Erachtens nicht ausgeschlossen. Besonders bei Unselbständigen mit Arbeitslosenbezug gibt es noch weiten Interpretations-/ Klärungsbedarf.

Die Stellungahme wurde kurzfristig erstellt und dient zur ersten Orientierung. Sie ersetzt keine eingehende Rechtsberatung und gibt auch nur die persönliche Ansicht der
Kooperationspartner wieder.